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Wachstum vs. Rendite - der große Kampf (re-post)

Erik Brauer

Für viele ist es ein Traum, eines Tages von den Dividenden des Portfolios leben zu können. Aber wie man an diesen Punkt kommt, ist eine ganz andere Frage, und dieser wollen wir heute nachgehen.


Wenn man von Dividenden leben will, ohne ständig Aktien verkaufen zu müssen, erscheint es zunächst logisch, die Aktien mit den höchsten Ausschüttungen zu wählen. Wenn ich 10 000 € pro Jahr an Dividenden kassieren will, also etwa 700 € netto pro Monat, brauche ich bei einer Dividendenrendite von 1 % etwa 1 Million Euro. Wenn meine Aktien hingegen 5 % ausschütten, reduziert sich der Betrag auf 200 000 €, was für die meisten Menschen viel realistischer erscheint. Der Trick ist, dass man zu Beginn der Sparphase keine Dividenden braucht und die meisten Unternehmen ihre Dividenden im Laufe der Zeit erhöhen. Die Herausforderung besteht nicht darin, die Dividende heute zu maximieren, sondern in 20 oder 30 Jahren mit dem heute investierten Kapital. Wie hoch ist die Rendite, wenn Unternehmen X die Dividende jedes Jahr um y % erhöht? Die erste Frage lautet: Wie viel zahlen die Unternehmen und um wie viel steigen die Dividenden? Für den US-Markt ist die Beziehung wie folgt:

Verhältnis zwischen der Dividendenrendite und der durchschnittlichen Wachstumsrate (6 Jahre) für den S&P500, grün: mittlerer Korridor.
Verhältnis zwischen der Dividendenrendite und der durchschnittlichen Wachstumsrate (6 Jahre) für den S&P500

Im Durchschnitt liegt die Dividende bei 1,8% und steigt jährlich um ca. 8%. Der Rückgang des Dividendenwachstums bei höherer Dividendenrendite ist deutlich sichtbar. Das liegt auch in der Natur der Sache, denn Dividenden müssen erst einmal erwirtschaftet werden. Wachstumsstarke Unternehmen schütten nur einen kleinen Teil des Gewinns aus, weil sie einen großen Teil für weiteres Wachstum verwenden, was aber auch ein höheres Dividendenwachstum ermöglicht. Da diese Unternehmen in der Regel auch höher bewertet sind, ist auch der Anteil der Ausschüttung am Aktienkurs tendenziell geringer. Umgekehrt haben Aktien mit hohen Dividendenrenditen meist ein geringes Wachstum und hohe Ausschüttungsquoten sowie eine niedrigere Bewertung. Der Spielraum für weitere Steigerungen ist daher geringer. Man wird kaum eine Aktie finden, die im Durchschnitt mehr als 8 % ausschüttet und die Dividende jedes Jahr um mehr als 20 % steigert.


Um die Sache etwas interessanter zu machen, schauen wir uns 5 Aktien an, die unterschiedliche Dividendenrenditen und ein unterschiedliches Wachstum aufweisen, und das über einen langen Zeitraum hinweg.


  • Visa: 0.6% Rendite/18% Wachstum

  • Nike: 1.2% Rendite/11% Wachstum

  • Paychex: 2.6% Rendite/9% Wachstum

  • Intel: 4.2% Rendite/6% Wachstum

  • Verizon: 7.8% Rendite/2% Wachstum


Jetzt können wir so tun, als ob wir einmalig 100 € investieren und sehen, wie viel Dividende wir im Laufe der Zeit jedes Jahr erhalten. Über einen Zeitraum von 30 Jahren gewinnt die Aktie mit der niedrigsten Anfangsdividendenrendite aufgrund ihres hohen Wachstums vor allen anderen. Selbst bei der Summe aller im Laufe der Zeit gezahlten Dividenden hat Visa die Nase vorn. Exponentielles Wachstum in Perfektion, Leonhard Euler gefällt das. Soweit so gut und so wurde es auch auf so manchem social media Kanal gezeigt.

Das Entscheidende ist aber, dass die Meisten während der Ansparphase ihre Ausschüttungen gar nicht brauchen und sie stattdessen wieder reinvestieren. Tut man dies nun in unserer Modellrechnung, verändert sich das Bild dramatisch und Verizon liegt auch noch nach 30 Jahren vorn. Das erscheint auch logisch, denn das reinvestierte Kapital wirft ebenfalls sehr hohe Dividenden ab, was vor allem zu Beginn einen enormen Vorsprung gegenüber dem exponentiellen Wachstum von Visa bietet und das geringe Wachstum kompensiert. Das Reinvestieren erhöht die effektive Dividendensteigerung von 2% auf ganze 10%. Bei Visa gibt es den Effekt auch, aber wesentlich geringer ausgeprägt und es ist viel schwieriger den Vorsprung aufzuholen.

Jährliche Dividendeneinnahmen bei 100€ Einmalanlage ohne (links) bzw. mit (rechts) Reinvestition der Ausschüttungen.
Jährliche Dividendeneinnahmen bei 100€ Einmalanlage ohne (links) bzw. mit (rechts) Reinvestition der Ausschüttungen.

Was können wir aus diesen Überlegungen lernen? Beständigkeit schlägt Wachstum und Wachstum schlägt Rendite nur auf den ersten Blick:


  1. Das Wichtigste ist die Beständigkeit. Nur wenn eine Aktie über einen langen Zeitraum hinweg Dividenden zahlt und in gleichem Maße wächst, können wir abschätzen, wohin sie sich entwickelt. Von mehreren tausend börsennotierten Unternehmen in den USA konnten nur 125 ihre Dividenden über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren steigern. Über 50 Jahre sind es nicht einmal 50.

  2. Je geringer das Dividendenwachstum, desto wichtiger ist es, die Ausschüttungen zu reinvestieren - vor allem, wenn die Dividendenrendite hoch ist. Dadurch vervielfacht sich das effektive Dividendenwachstum enorm.

  3. Langfristig schlägt ein hohes Dividendenwachstum eine hohe Dividendenrendite nur ohne Reinvestition.

Was wir hier völlig außer Acht gelassen haben, ist Folgendes: Die Gesamtrendite setzt sich aus Kursgewinnen und Dividenden zusammen. In unserem Beispiel haben wir nur das Dividendenwachstum betrachtet. Wenn man sich die Gesamtrendite von Visa und Verizon ansieht, gibt es keinen Zweifel, wer der Gewinner ist. Die Dividendenrechnung funktioniert nur so lange, wie man die Aktien hält und nicht verkauft. Was kann man also tun? Wie bei allem, kommt es auf die richtige Mischung an. So kann es durchaus sinnvoll sein, einen Anteil an dividendenstarken Aktien in seinem Portfolio zu haben, um den eigenen Cashflow zu erhöhen und dadurch mehr Aktien anderer Unternehmen zu kaufen.

Blau: Visa, lila: Verizon; Anzeige von Kursgewinnen + reinvestierten Dividenden
Blau: Visa, lila: Verizon; Anzeige von Kursgewinnen + reinvestierten Dividenden

Fazit: Beim Vermögensaufbau kommt es nicht nur auf die Höhe der Dividende an. Langfristig viel wichtiger sind kontinuierliche Zahlungen und ein stetiges Dividendenwachstum - gerade in Krisenzeiten.


Wusstest du schon? Unser ergänzendes Dividendenaktien-Portfolio besteht zu 50 % aus Aristokraten, d. h. aus Aktien, die ihre Dividenden seit mehr als 25 Jahren kontinuierlich erhöhen. Schau mal rein!

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